Dunkelmeditation Tao Garden

Hello Darkness, My Old Friend …

Ein Bericht von der lichten Seite des Dunkels

Vorweg: Dies ist ein persönlicher und damit von subjektiven Bedingtheiten geprägter Bericht über meine 14-tägige Darkroom-Meditation im Tao Garden im Februar 2012. Das heißt, dass meine Erlebnisse und Erfahrungen meine Erlebnisse und Erfahrungen sind und jeder andere vermutlich eine gänzlich andere Reise machen wird. Mein Bericht trifft also keine allgemeingültigen Aussagen darüber, was im Darkroom möglich ist und sich ereignen kann.

Im Februar 2012 bot sich die Gelegenheit, mir meinen langgehegten Wunsch eines Darkroom retreats, respektive einer Dunkelmeditation zu erfüllen. Vor Jahren schon hatte ich einen Bericht über diese seit langer Zeit und in vielen Kulturen verbreitete Praxis im Fernsehen gesehen und war davon fasziniert. Unbedingt wollte ich mich selbst einmal dieser intensiven Erfahrung stellen. Anfang 2012 fügten sich die Umstände und schließlich standen die Sterne und nicht zuletzt mein Bankkonto günstig, so dass ich mir diese Reise im doppelten Sinne gestatten konnte.

Phänomene im Vorfeld

Der Darkroom warf seine Schatten voraus. Ein nicht unbekanntes Phänomen, wie ich später erfahren sollte. Schon Wochen vor der Abreise hatte ich das Gefühl, Dinge klären und regeln zu wollen. Zunächst noch ganz subtil, steigerte sich dieses Gefühl, bis ich es etwa zwei Wochen vor der Abreise eindeutig mit meinem bevorstehenden Ausflug ins Schattenreich in Verbindung brachte.

Das Bedürfnis aufzuräumen und Sachen zu klären war schließlich von solch intensiver Dringlichkeit geprägt, dass ich mir schon Sorgen wegen des bevorstehenden Fluges machte. Im Tao Garden erfuhr ich dann aber, dass der Darkroom als eine gewisse Zäsur zu betrachten ist – eine Tatsache, die sich mein Unterbewusstes unbemerkt offenbar völlig zu eigen machte – und viele im Vorfeld von diesem Bedürfnis der Klärung erfasst sind.

Nachdem ich also mein Innen und Außen bereinigt hatte und nur noch wenige, zunächst unwesentlich scheinende und auch nicht mehr zu klärende Dinge übrig blieben, begab ich mich auf die Reise. Aus dem kalten Nürnberg via Berlin und Bangkok nach Chiang Mai. Nach kurzer Akklimatisierung brachte mich ein Taxi schließlich nach Mae Doi Saket nahe des Kuang Check Dammes im Nordosten der lärmenden Großstadt.

Oase „Tao Garden“

Im Allgemeinen offen für Subtiles, jedoch kritisch gegenüber den Fallstricken der Imagination, was die eigene Wahrnehmung angeht, verblüffte mich der Tao Garden mit seiner deutlich anderen Energie. Ich hatte den Eindruck, beim Übertreten der Schwelle zum Tao Garden in eine andere Schwingung einzutreten. Mehrfach überquerte ich die Schwelle um mich meiner Wahrnehmung zu versichern, und bin bis heute überzeugt, dass das Empfinden veränderter, intensiver und guter Energie nicht auf Einbildung oder Wunschdenken beruhte.

Sofort war ich gefangen von der wunderbaren Anlage, die natürlich nach Feng Shui-Prinzipien gestaltet ist. Freundlich wurde ich empfangen und mit allen notwendigen Informationen bezüglich des Darkrooms ausgestattet. Da noch ein paar Tage Zeit blieben, bezog ich zunächst ein angenehm kühles, komfortabel eingerichtetes, sauberes Zimmer. Der Countdown begann …

Morgens genoss man die Übungen und Meditationen mit Mantak Chia und im Laufe des Tages hatte man Gelegenheit, seine Praxis allein oder mit anderen zu vertiefen und sich auf den Darkroom sowie die Aus- und Weiterbildung zu konzentrieren. Fatal und eine Prüfung der mentalen Stärke war das fantastische und abwechslungsreiche Essen im Tao Garden, da man gehalten war, im Vorfeld des Darkrooms sein System möglichst wenig zu belasten, respektive mit der Entlastung zu beginnen.

Dazu wurde auch eine Hydrocolon-Therapie empfohlen, die von fachkundiger Hand, unterstützt von Chi Nei Tsang-Massage, durchgeführt wurde. Anfängliches Befremden verflüchtigte sich ob der Professionalität und Freundlichkeit schnell. Zurück blieb, nun ja, wenig, abgesehen von einem tiefen Gefühl der Erleichterung …

Einzug in die Dunkelheit

Schließlich war der große Tag gekommen und die Teilnehmer bezogen ihre Zimmer im Darkroom. Eines der großen und geräumigen, zweistöckigen Appartementhäuser mit Innenhof war zu diesem Zweck mit schwarzer Folie völlig lichtdicht gemacht worden. An strategischen Stellen, vor der Treppe und an den Wasserspendern, waren Luftballons angebracht, die einem als Wegmarken im Dunkeln dienen sollten. Außerdem waren alle Ecken und Kanten mit Matten abgepolstert, um möglichen Verletzungen vorzubeugen.

Es standen Doppel- und Einzelzimmer zur Verfügung, und ich war zunächst auf ein Doppelzimmer gebucht. Mein Zimmergenosse sowie einige andere Teilnehmer trafen erst im Verlauf des Tages ein, ein eher nicht zu empfehlendes Vorgehen, hat man so doch keine Möglichkeit, sich geistig und körperlich auf die bevorstehende Erfahrung vorzubereiten.

Eine allgemeine Atmosphäre von Gelassenheit, gepaart mit gespannter Erwartung war zu spüren, war doch jedem klar, dass er sich hier auf etwas Besonderes einließ. Und natürlich hatte jeder sein Paket an Erwartungen oder Vorstellungen mitgebracht. Auch wenn man sich davon möglichst freimachen sollte, um der Erfahrung ihren eigenen Raum zu geben, ist das natürlich kaum vollständig möglich.

Orientierung im Dunklen

Wie einige andere auch, führte ich strategische Sondierungen des Hauses durch, um mir noch Wesentliches einzuprägen, bevor am Abend das Licht für mich für 14 Tage erlöschen sollte. Ich zählte Treppenstufen, deponierte mein weniges Gepäck griffbereit und merkte mir die Platzierung, erkundete Toilette und Dusche und prägte mir die Lage meines Zimmers und den Weg und die Schritte zur Treppe ein. Alles geleitet von gewissen Befürchtungen, zunächst mit Desorientierung zu kämpfen zu haben – Befürchtungen, die sich aber schließlich schnell als unbegründet herausstellten.

Nach einer Vorstellung der Teilnehmer und einer Einführung durch Mantak Chia gab es ein letztes Abendessen sehenden Auges und dann wurden die Lichter gelöscht. Ein seltsames Gefühl stellte sich ein, denn schließlich würde ich für die nächsten 14 Tage kein Licht sehen – diese Tatsache drang in aller Deutlichkeit ins Bewusstsein. Allerdings war keine Angst zu spüren, eher freudige Neugier auf das was da kommen mochte. Zudem konnte man den Darkroom ja auch jederzeit verlassen, sollte es notwendig sein.

Chemie im Kopf

Im Lauf der Jahre hatte ich einiges über Dunkelmeditation gelesen und hatte entsprechend Vorstellungen, zwar nicht hinsichtlich des Inhalts der Erfahrungen, wohl aber hinsichtlich Intensität und zeitlichen Verlaufs. Durch den Mangel an Licht werden verschiedene biochemische Prozesse im Körper beeinflusst, die schließlich in letzter Konsequenz dazu führen, dass sich Dimethyltryptamin, kurz DMT, anreichert und mit der Zirbeldrüse interagiert.

Die auf Lichtreize reagierende Zirbeldrüse wurde schon von Descartes in gewissem Sinne als Schnittstelle von Seele und Körper angesehen. Insofern vermutete ich, dass mit längerem Aufenthalt im Dunkeln auch die Erfahrung an Intensität gewinnt. Das traf zwar durchaus zu, aber ganz anders als zunächst von mir erwartungslos vermutet.

Die ersten beiden Tage im Dunkeln verliefen erstaunlich ereignislos, im positiven wie negativen Sinne: Mein größtes praktisches Problem war es, die Zahnpasta auf die Bürste zu bekommen. Erst am dritten Tag konnte ich meine funktionale Gebundenheit überwinden und kam auf die Idee, sie direkt in den Mund zu nehmen. Auch das Essen war kein Problem, wurde es doch in mundgerechten Stückchen und in praktischen Stapeldosen vom fürsorglichen Personal zu den Essenszeiten in den Darkroom gebracht.

Auf der anderen Seite waren auch noch keine großartigen Effekte zu bemerken, von der Tatsache konsequenten Praktizierens und der Gelegenheit, sich vollumfänglich auszuschlafen, einmal abgesehen. Die Tage waren gefüllt vom Wecken morgens um sieben Uhr über die ersten Körperübungen gefolgt vom Frühstück. Anschließend folgte intensive Kan&Li-Praxis, Mittagessen und eine kurze Pause. Dann ging es weiter mit Kan&Li, einer Pause, dem Abendessen und schließlich wurde jeder Tag mit Tao Yin, den sechs heilenden Lauten und Traumyoga etwa gegen 21.00 Uhr beendet.

Selbstdisziplin ist gefragt

Zunächst erschien mir das Programm fast zu viel zu sein, doch die dauernde Beschäftigung sorgte dafür, dass Längen oder Mindtrips zweifelhaften Inhalts nicht aufkamen. Das zeigte sich besonders an den Sonntagen, wo das Programm stark eingeschränkt war, und man ohne Selbstdisziplin durchaus auch im negativen Sinne ins Grübeln kommen kann, wenn der Geist ins Wandern kommt und man sich nicht in der Mitte hält.

Schließlich intensivierten sich die Träume deutlich, waren von passender, starker und alchemistischer Symbolik. Auch einfach nur lebhafte und intensive Träume häuften sich, wobei es mir nicht vergönnt war, einen luziden Traum zu erleben.

Traumhafte Erlebnisse

Gegen Ende der Woche erlebte ich dann durchaus ungewöhnliche optische Phänomene. So zeigten sich während der Ruhephasen, aber noch im Wachzustand, intensive optische Wahrnehmungen. Ein Tag war von satter und frischer Vegetation geprägt – große Blätter, Lianen, dicke Blattadern, einfach starkes pflanzliches Leben.

Der Folgetag stand im Zeichen von Insekten: Grashüpfer, Käfer, aber auch Spinnen zeigten sich. Der nächste Tag überraschte mich sehr, zeigten sich doch in schneller Folge Szenen mit Daffy Duck, Bugs Bunny und Elmer – obwohl ich in meiner Kindheit fast ausschließlich Donald Duck und Micky Maus konsumiert hatte.

Diese Phänomene waren deutlich wahrzunehmen, muteten aber an, als wären sie in etwa zwei Metern Entfernung auf einen Gazeschleier projiziert, die Farben waren nicht ganz so brillant wie in meinen Träumen und die Konturen waren etwas unscharf. Zudem zeigten sie sich nur, wenn die Augen und der Blick entspannt waren. Der Versuch, genau hinzuschauen, ließ alles verschwinden. Ich wurde von den Wahrnehmungen auch nicht optisch oder emotional überflutet, sie waren also keine Halluzinationen in dem Sinne, dass ich die Dinge für real gehalten hätte.

Ein anderes Phänomen war, dass die wenigen, insbesondere berufsbezogenen Dinge, die ich im Vorfeld des Darkrooms nicht hatte klären können, sich stark in den Bewusstseinsvordergrund drängten. So stark, dass ich erst in der Rückschau bemerkte, wie entspannt und ruhig ich eigentlich dennoch war. Doch teils drehten sich Gedanken gefühlte Stunden unfruchtbar im Kreis, bis ich sie durch Praxis in den Griff bekam und sie in ihrer Intensität nachließen.

Das erste Wochenende kündigte sich durch ein seltsames Gefühl des tieferen Einsinkens an. Freitag und Samstag hatte ich das deutliche Gefühl, tiefer in die Erfahrung zu gehen, obgleich die optischen Phänomene nach der Comic-Episode aufgehört hatten.

Dafür zeigten sich nicht in Worte zu fassende Tiefendimensionen der Übungen, insbesondere der sechs heilenden Laute. Ich erfasste ihre Systematik, ihre Vielschichtigkeit und den Bezug auf mich persönlich sehr deutlich und jenseits des analytischen Verständnisses viel tiefer.

Schließlich tauchten auch Beschwerden auf – starke Kreuz- und Kieferschmerzen, bei denen ich in der Rückschau aber davon ausgehe, dass sie eher „Rückstellschmerzen“ und Folge der sich einstellenden tiefen Entspannung waren. Dennoch verleideten sie mir durchaus zwei, drei Tage der zweiten Woche.

Dafür stellten sich ein anderes, erstaunliches Phänomen ein. Als ich eines Abends ins Zimmer ging und die Tür hinter mir schloss, hatte ich den schwachen, aber deutlichen Eindruck, es würde dunkler werden.

Dazu muss gesagt werden, dass man gehalten war, eine Augenbinde zu tragen. Dadurch wird den Augen und dem Gehirn signalisiert, dass es nichts zu sehen gibt. Denn nach einigen Tagen in Dunkelheit merkte ich sehr deutlich, wie sehr das Gehirn hungrig nach Informationen ist, wenn man im Dunklen die Augen öffnet. Es war fast körperlich wahrnehmbar, wie etwas nach außen ins Dunkle reichte, auf der Suche nach irgendeinem Input.

Das Licht im Dunkel

Ich trug also die Augenbinde und hatte mit geschlossenen Augen das Gefühl, mein Gesichtsfeld würde beim Schließen der Zimmertür dunkler werden. In der Annahme, einer besonders subtilen und unerwarteten Projektion von Wissen um Sachverhalte aufgesessen zu sein, öffnete und schloss ich die Tür mehrmals, doch der Eindruck blieb bestehen. Schließlich verließ ich mein Zimmer, um von der umlaufenden Empore im ersten Stock hinunter auf den offenen Versammlungsplatz in der Mitte des Gebäudes zu blicken.

Zu meinem Erstaunen war ein deutlicher Helligkeitseindruck wahrzunehmen. Die Säulen des Raumes, die Matratzen und weitere unbelebte Gegenstände hoben sich deutlich hell vor dem Eigengrau meiner Wahrnehmung ab. Das Eigengrau bezeichnet jenen nichtschwarzen Dunkeleindruck, den man nach geraumer Zeit unter Lichtausschluss empfindet. Es ist Ergebnis der Stoffwechselaktivität der Netzhaut, so dass man Schwarz im eigentlichen Sinne gar nicht sehen kann.

Auch hier wieder die Erfahrung, dass diese Wahrnehmung der sogenannten „Aura der Dinge“ verschwand, wenn ich bewusst hinsah. Erst eine leichte Entspannung im Blick und ein gewisses „daran vorbei sehen“ ermöglichte diese Wahrnehmung, analog zu dem Phänomen, dass man schwache Sterne deutlicher sehen kann, wenn man leicht daran vorbei blickt. Taoistisch könnte man diese Erfahrung etwa mit „See, but don’t look“ umschreiben. Mir fiel dazu ein Satz von Douglas Adams ein: „Fliegen ist ganz leicht, man muss sich nur auf den Boden werfen – aber daneben.“

Fatal war allerdings, dass diese Aura der Dinge zwar mit dem physischen Ort der Objekte korreliert war, aber durchaus einen gewissen Spielraum von gefühlten 30 Zentimetern hatte. Man sollte sich also nicht darauf verlassen, sonst kann es leicht vorkommen, dass man, wie mir geschehen, buchstäblich vor die Wand läuft.

In den folgenden Tagen intensivierte sich das Phänomen dahingehend, dass ich nun auch Personen wahrnehmen konnte. Interessanterweise erschienen diese jedoch vor dem Hintergrund meines Eigengraus dunkler. Das ging so weit, dass ich wahrnehmen konnte, wie viele Finger mir jemand vor das Gesicht hielt – mit Augenbinde und geschlossenen Augen wohlgemerkt.

Schließlich neigte sich auch die zweite Woche ihrem Ende zu. Es war nicht so, dass ich wirklich hinaus wollte, aber ich sehnte mich nach einem tiefen Lungenzug frischer Luft. Dabei war das Klima und die Luft im Darkroom durchgängig angenehm kühl und geruchsfrei. Doch mir fehlte eine gewisse Frische, so dass ich dem Verlassen mit einer Mischung aus Freude und Wehmut entgegenblickte.

Intensive Neugeburt im Licht

Es sollte sich zeigen, dass das wieder in die Welt treten von mir deutlich unterschätzt wurde. Ich war durch die Praxis im Darkroom durchaus körperlich gefordert und fühlte mich auch fit. Ich hatte den Rucksack gepackt und geschultert und erwartete meinen Führer, der mich hinaus begleiten sollte. Ich verließ den Darkroom am Sonntag Abend durch einen etwa fünf Meter langen, mit Plastikplanen verhangenen Gang, was durchaus etwas von einer Geburt an sich hatte.

Ich trug weiterhin die Augenbinde und darüber meine Sonnenbrille. Je weiter ich den Gang durchschritt, desto mehr spürte ich, wie meine Beine schwächer wurden. Als ich schließlich draußen nach 14 Tagen den ersten lauen Abendhauch auf meiner Haut spürte, durchströmte mich ein Gefühl von verletzlicher Offenheit und Schwäche.

Mein Führer brachte mich zunächst in ein Appartment, wo ich meine Sachen ablegen konnte. Ich riskierte einen kurzen ersten Blick unter der Binde hindurch in das dunkle Zimmer und hatte gleich mit der nächsten Reizüberflutung zu kämpfen. Ich ruhte kurz und tastete mich dann hinaus in den wunderbaren Garten und suchte mir ein ruhiges Plätzchen.

Nach und nach hob ich immer wieder die Binde und stellte fest, dass Augen und Gleichgewichtssinn erst wieder Freundschaft schließen mussten. Das äußerte sich dahingehend, dass ich von einer Art tiefen, zellulären Schwindels erfasst war. Während ich nach einem Glas Wein eher das Gefühl habe, einen Großkreis zu beschreiben, war hier die Empfindung, als würde jede Zelle sich drehen – interessant und unangenehm zugleich, jedoch nicht so schlimm, dass mir etwa schlecht geworden wäre.

Zugleich hatte ich das ganz konkrete körperliche Empfinden, wie Teile meines Gehirns wieder neu hochfuhren, insbesondere knapp hinter dem linken Schläfenlappen, sich nach hinten bis zum visuellen Kortex fortsetzend. Das Zwielicht des frühen, aber dennoch bereits recht dunklen Abends kam meinen entwöhnten Augen sehr entgegen und ließ viele Dinge nur schemenhaft erkennen. Doch schon hier fiel mir die Wahrnehmung der Kontraste besonders auf.

Der nächste Tag war ein Wechselbad der Gefühle. Da insbesondere kein direkter Ansprechpartner mehr im Tao Garden weilte oder noch im Darkroom die dritte Woche verbrachte, breitete sich ein Gefühl der Einsamkeit und des Verlorenseins aus. Das wechselte mit der mich bis zum Weinen bringenden Freude über die Dinge, die ich zu sehen bekam. Insbesondere, Blumen, Blüten und Insekten bezauberten mich stark.

Interessant war die Erfahrung, welche Stufen der optischen Wahrnehmung es gibt. Beginnend mit der Wahrnehmung statischer Szenerie, etwa dem Reisfeld gleich neben dem Tao Garden. Stufe zwei war es, wenn etwas oder jemand sich durch mein Gesichtsfeld bewegte. Auch dies in den ersten Tagen von der deutlichen Empfindung begleitet, dass sich das Objekt in der Außenwelt in der Gegenrichtung durch meinen visuellen Kortex bewegte.

Drittes Level war schließlich die direkte Begegnung und Kommunikation mit Menschen, insbesondere die Wahrnehmung von Gesichtern, die eine erstaunliche Tiefe und Bedeutsamkeit bargen. Während die ersten drei Stufen noch ein passives Einströmen ins optische System waren, stellte sich Stufe vier ganz anders dar. Das Funktionalisieren meiner Augen im Sinne von aktiver Informationsaufnahme durch Lesen war eine so nicht erwartete Anstrengung.

Nachwirkungen

Bis heute habe ich mit den Stufen 5 und 6 zu kämpfen,nämlich zum einen dem Fernsehen, was mich wochenlang körperlich abschreckte, sich aber gut vermeiden lässt. Aber insbesondere das Arbeiten am Monitor als finaler Stufe optischer Anstrengung war zunächst so gut wie gar nicht möglich, denn ich hatte den Eindruck, als würde Energie und Information mit Gewalt in mein Gehirn gedrückt werden – schwierig, damit in der heutigen Zeit einen geeigneten Umgang zu finden.

Es gäbe noch viel zu sagen, doch wären all dies untaugliche Versuche, sprachlich nicht greifbare Dinge in Worte zu fassen. Jedenfalls gehören diese zwei Wochen zu den intensivsten, interessantesten und in der zeitlichen Wahrnehmung kürzesten 14 Tagen meines Lebens. Ich werde den Darkroom sicherlich wiederholen, unter Umständen auch versuchen, ihn zu Hause zu inszenieren – mit dem Wissen, dass eine gehörige Portion Selbstdisziplin nötig ist, um die Mitte zu wahren.

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